Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderats,
noch im Juli sollen Sie über die Fortschreibung des Rahmenplans Friedrichstraße entscheiden, der u. a. einen Hochpunkt an der Stelle des alten Schlossgarten-Hotels vorsieht. Für diesen Hochpunkt gibt es aktuell das bereits geplante und auch beworbene Vorhaben der Grundstückseigentümer, hier ein 40 Meter hohes Hotelgebäude auf einer Grundfläche von ca. 30 x 15 Metern zu errichten. Dieses konkrete Projekt spielt bei der Entscheidung über die Fortschreibung des Rahmenplans eine maßgebliche Rolle und muss deshalb unbedingt mitbedacht werden. Alle Implikationen, die ein Hotelbau dieser Größenordnung beinhaltet – städtebaulich, verkehrstechnisch, ökonomisch und ökologisch – müssen bereits jetzt berücksichtigt werden, einschließlich der Möglichkeit eines Scheiterns des ursprünglichen Nutzungskonzepts, wenn sich die Nachfrage nach Hotelbetten in Friedrichshafen anders entwickelt als bisher angenommen wurde.
Im Rahmenplan in der aktualisierten Version von 2019 gibt es konkrete Hinweise auf weitere Probleme:
„An der Ecke Werastraße/Schmidstraße ist ein Gebäude mit sechs Geschossen entstanden. Das neue Höhenmaß wirkt raumfassend und bildet bereits einen baulichen Schwerpunkt am Ende der westlichen Friedrichstraße. (...)
Die Bebauung im Quartier wirkt mittlerweile relativ niedrig gegenüber der restlichen Friedrichstraße und auch gegenüber den neu entstandenen Gebäuden auf der Südseite. Dieser Maßstabsprung trägt unter anderem dazu bei, dass das Quartier keine Gestaltungseinheit mit der Friedrichsstraße mehr bildet.“
Bereits jetzt sind durch Einzelvorhaben nicht reversible bauliche Tatsachen geschaffen worden, die der Wieder-Entwicklung der Friedrichstraße zur Prachtstraße abträglich sind. Am Gebäude Friedrichstraße 21 (Lukullum) lässt sich zudem bereits die Wirkung eines massiven Baukörpers direkt an der Straße trotz erheblich geringerer Höhe erkennen. Der geplante Hochpunkt hätte die dreifache Höhe bei um die Hälfte breiterer Front und sprengt damit jeden städtebaulichen Rahmen in diesem und den angrenzenden Stadtvierteln. Dies konnten wir mit unserer Ballonaktion für die Friedrichshafener Öffentlichkeit noch einmal deutlich machen. Der im Rahmenplan angesprochene Maßstabssprung würde durch dieses Gebäude unauflöslich.
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Daher wiederholen wir an dieser Stelle unsere zentralen Anliegen:
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•kein Hochpunkt am Westende der Friedrichstraße
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•ein Bebauungsplan für das gesamte Quartier Oranienstraße bzw. die westliche
Friedrichstraße und kein maßnahmenbezogener Bebauungsplan (allein für das Grundstück
Schlossgarten-Hotel) -
•ein maximal 5-geschossiges Gebäude zum Erhalt des Quartier-Charakters
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•eine maßvolle Verdichtung zur Schaffung von Wohnraum
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•den Erhalt der Wohnqualität.
Wir sehen uns durch das Ergebnis der Umfrage zur Fortschreibung des „Rahmenplans Westliche Friedrichstraße“ in unserem Anliegen und Engagement bestätigt. Nachdem sich in unserer Online- Petition bereits mehr als 1.500 Friedrichshafener Bürger gegen den Hochhaus-Bau ausgesprochen haben, zeigt auch die Bürgerbefragung mit einer deutlichen Mehrheit von 68,3 % die Ablehnung des Projekts durch die Bevölkerung. Die Bürger haben sich in ihrem Votum auch nicht dadurch beirren lassen, dass die Stadtverwaltung den Hochpunkt im Umfragetext als „städtebaulich sinnvoll“ bezeichnet hat, obwohl der fortgeschriebene Rahmenplan ihn lediglich als „geeignet“ benennt. Diese Vorab-Bewertung durch die Stadtverwaltung haben wir im Übrigen als befremdlich empfunden. Ebenso befremdlich ist die Tatsache, dass der Hochpunkt im Rahmenplan 2019 in der Variante 2 fast doppelt so breit eingezeichnet ist wie 2011. Was ist der Grund dafür? Sollte dem Hotelprojekt der OS2K-Gruppe seitens des Planungsamts damit bereits der Weg geebnet werden? Das Planungsamt empfiehlt darüber hinaus in seiner Sitzungsvorlage 02.12.2020 einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan für dieses Projekt, das dadurch ausdrücklich aus dem städtebaulichen Kontext des gesamten Quartiers herausgelöst wird. Es entsteht der Eindruck, dass das Planungsamt den Gemeinderat gezielt zu einer Entscheidung zugunsten der Investoren führen möchte, eine für den Bürger schwer erträgliche Vorstellung.
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Die Fortschreibung Rahmenplan Friedrichstraße wird im Juli im Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt und im Gemeinderat behandelt und entschieden.
Wir erwarten, dass die Mitglieder des Gemeinderats das Ergebnis der Bürgerbefragung und der Petition in angemessener Weise berücksichtigen und
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1.das Hochpunkt-Konzept endgültig fallen lassen sowie in der Folge
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2.einen ordentlichen Bebauungsplan in Auftrag geben, für den auch die Antworten in der Bürgerbefragung eine Basis liefern können.
Im Gegensatz dazu wird ein vorhabenbezogener Bebauungsplan gravierende negative Folgen nach sich ziehen. Es steht zu befürchten, dass dann Grundstück für Grundstück unter Berufung auf den ersten Sündenfall ebenfalls mit einem Hochhaus bebaut werden könnte. Dies wird dann auch ohne individuellen vorhabenbezogenen B-Plan allein unter Verweis auf §34 BauGB möglich sein. Ein Bauherr könnte nämlich argumentieren, dass es sich in die vorhandene 4- bis 12-stöckige Bebauung auf der Nord- bzw. Südseite der Friedrichstraße einfügen würde. Stadt und Gemeinderat geben damit die Möglichkeit aus der Hand, die weitere Entwicklung des Quartiers zu gestalten. Eigentümer angrenzender Grundstücke sind von den Projektinvestoren bereits zu einem möglichen Verkaufsinteresse befragt worden.
Geben Sie mit Ihrer Entscheidung ein deutliches Signal an die städtische Bauverwaltung, endlich den bereits eingeschlagenen bequemen Kurs zugunsten des Hotelprojekts der OS2K-Gruppe mittels eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans aufzugeben. Ihre Entscheidung über die Fortschreibung des Rahmenplans ist bzgl. des Hochpunkts mit der Entscheidung über das Hotelprojekt von OS2K sehr eng verknüpft. Eine Entscheidung gegen den Hochpunkt ist auch für die Investoren ein Signal, rechtzeitig alternative Nutzungskonzepte zu entwickeln, die zu städtebaulich verträglicheren Lösungen führen.
Geben Sie darüber hinaus ein Signal an die Bürger unserer Stadt, dass Sie mehrheitlich geäußerte Willensbekundungen und den Wunsch der Menschen nach transparenten und sachorientierten Entscheidungen in der Politik ernst nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Namen der Bürgerinitiative „Kein Hochpunkt Friedrichstraße“
Dr. Axel Versen
Dominik Bartmuß